Recht auf Drogen, Rausch und Feierabendbier?


Lesezeit: 3:30 Minuten

Es macht meinen Beruf aus, dass ich mich immer wieder mit dem Thema Drogen auseinandersetze. Als Drogenberater werde ich öfter, meist als Scherz getarnt, gefragt, welche Droge ich empfehle. Oft antworte ich mit der Gegenfrage, um welchen Anlass es denn geht und welche Wirkung gewünscht ist. Das sorgt für Irritationen. Und das ist gut.

Exkurs: Drogen sind alle Stoffe die konsumiert werden und psychoaktiv auf das Gehirn wirken.  Das kann die enthemmende und entspannende Wirkung des Alkohols sein oder die wahrnehmungsstimulierende Wirkung von Cannabis. Alternativ wäre da noch die antriebssteigernde Wirkung von Ampehtamienen oder die Wirkung von Ecstasy. Wie der Name schon sagt, eine endorphinausschüttende Droge, die bestenfalls zur Ekstase führt.

Also - welche Wirkung hätten sie denn gerne?


Menschen, die mich ein wenig kennen, wissen, dass ich nicht viel Alkohol vertrage. "Weniger ist mehr", ist eine der Botschaften, die Drogenberater*innen bekannt ist. Was steckt dahinter? Bist du "trinkfest", musst du einiges mehr trinken, um die gewünschte Wirkung zu erreichen. Komisch, denn Trinkfestigkeit genießt in unserer Gesellschaft noch immer ein großes Ansehen. Doch alleine durch die hohe Trinktoleranz, also die Notwendigkeit, das Gehirn kräftig mit Alkohol zu fluten, bevor es eine spürbare Reaktion signalisiert, geht reichlich Geld durch den Abfluss. Vom gesundheitlichen Aspekt möchte ich hier gar nicht erst anfangen zu reden. Menschen, mit einer geringeren Alkoholtoleranz, sind früher "geflutet" und entsprechend berauscht. Weniger ist mehr. War es nicht aber auch der Geiz, der geil ist? Bei Drogen steht die Gesellschaft auf dem Kopf. Da scheint es  so, dass wer viel trinkt, auch viel Ansehen und Respekt erhält. Besonders putzig sind die Menschen, die meinen, dass sie den Alkohol nur wegen des Geschmacks konsumieren. Dabei liegt es doch auf der Hand, dass Alkohol und Wirkung Hand in Hand gehen. Schaue ich mir ein Plakat mit Sonne, Sand und Strand an, träume ich von der Wärme. Trinke ich ein alkoholfreies Bier, gefällt mir der Geschmack. Schmeckt mir das Bier nicht, vermisse ich die Wirkung und den dadurch vermeintlich positiven Effekt des Alkohols. Das ist nicht verwerflich, aber verlangt ein gewisses Maß an Selbstreflexion und Ehrlichkeit. Das Gehirn lernt schnell, diese beiden Komponenten miteinander zu verknüpfen, Geschmack und Wirkung des Alkohols. Fehlt die erwartete Wirkung, suggeriert das Gehirn einen Missstand. "Schmeckt nicht", ist dann das Argument, welches die Welt wieder ins richtige Licht rücken soll.

Dann gibt es noch den Begriff der "Einstiegsdroge". Wer kennt ihn nicht? Doch Einstieg wohin? Ins Erwachsenfühlen? Ins Dazugehören oder Anderssein, als die Erwachsenen? Einstieg zur coolen Abfahrt? Zur totalen Entspannung? Zur Peergroup? Vieles passt, aber bitte nicht der Einstieg in die Sucht! Würden Drogen automatisch süchtig machen, wären wir ein armes Volk. Kein Schützenfest, keine Hochzeit und keine Reggae Party. Kein Feierabend Bier und kein Begrüßungscocktail. Keine Technoparties, Trinkspiele, Chill Out Zonen und keine Hip Hop Festivals. Ohne Drogen läuft in unserer Gesellschaft  recht wenig im Bereich Freizeit. Das führt sicherlich dazu, dass wir ca. 1.600.000 Suchterkrankte im Bereich Alkohol haben, doch im Vergleich zu den Konsument*innen ist dies nicht die Mehrheit sondern nur ein Bruchteil. Schließlich haben wir ein Recht auf Rausch und kein Problem - oder?
Was ist rechtens, und ist das Recht automatisch richtig? Es gab in Lübeck einmal einen wichtigen Urteilsspruch zum Thema "Recht auf Rausch". Dies führte zu einer Liberalisierung von Drogen. Nicht der Alkohol ist ungefährlich, weil er erlaubt ist, und nicht das Cannabis ist der Einstieg in eine Sucht. Nein, die Psyche, die Motivation des Konsums und die persönliche Prägung, sowie Reife sind mit ausschlaggebend. Eine kompensatorische oder eine komplementäre Konsumweise sind unter Anderem der Schlüssel dazu. Doch diese Fähigkeit verlangt ein gesundes, großes Maß an Selbstreflexion. Ebenso eine bestenfalls gesunde Kindheit mit reflektierten Eltern und Resilenzfähigkeit können sehr hilfreich sein.

Es ist nicht einfach mit den Drogen - und ohne ist es auch nicht leichter.


Kommentare

  1. Applaus ist das Brot des Künstlers und Kommentare das Brot der Blogger. Ab sofort könnt ihr ohne Anmeldung und anonym hier kommentieren. Also gebt es mir, ich habe Hunger. 

    AntwortenLöschen
  2. Die WHO Definition der Sucht brauche ich Dir als Drogenberater sicherlich nicht zu erzählen, die kennst Du höchstwahrscheinlich auswendig. Den Begriff "Einstiegsdroge" fand ich schon immer seltsam, er soll der erhobene Zeigefinger von überheblichen Mitmenschen sein, der vor noch nicht eingetretenen Gefahren warnen soll. Gemeint ist mit dem Begriff natürlich, dass wenn man eine Droge nimmt, man als zwangsläufig Süchtiger enden muss. Meist wird der Begriff von Leuten verwendet, die selbst ein Suchtproblem haben. ;-)
    Wie halten es diese Menschen eigentlich mit dem Autofahren? Der Führerschein als "Einstiegsdroge" für den Verkehrstod? Wie oft höre ich den Satz "Ich fahre gerne mit dem Auto und es strengt mich überhaupt nicht an, es macht mir Spaß."

    AntwortenLöschen
  3. Auch wenn ich dem Vergleich nicht richtig folgen kann, freue ich mich über Positionen, die zum denken anregen.

    Danke Hummingbird

    AntwortenLöschen

Kommentar veröffentlichen

Beliebte Posts aus diesem Blog

Politik wie im Kindergarten

Corono - Zähne zusammen beißen und durchhalten