Willst du wirklich wissen wie es mir geht?



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"Wie geht's?" 

Fast jeder kennt diese Frage, die leider nur sehr selten ernst gemeint ist? Oft frage ich dann zurück: Beruflich? Finanziel? In der Liebe oder beim Sex? 

Könnte ich auf die gestellte Frage genauso kurz antworten, wie die Frage gestellt wurde, wäre jeglicher Tiefgang im weiteren Gespräch abgehakt. Die Frage wäre beantwortet, und eine neue Frage müsste gestellt werden, um im Gespräch zu bleiben. 

Wie kann ein Mensch eine so allgemein gestellte Frage stellen, wenn er wirklich an mir interessiert ist? Wie kann ich auf eine solche Frage antworten, wenn mich das Gegenüber überhaupt nicht richtig kennt und mir es vielleicht nicht gut geht? Will die Person meine Antwort wirklich hören? Was, wenn ich krank bin, oder mich überhaupt nicht fähig fühle, gerade über meinen Zustand zu sprechen? Was, wenn ich ehrlich und ausgiebig anfange zu reden, über alles was mich beschäftigt und mein Gegenüber nicht weiß, wohin mit all diesen Informationen und Emotionen? 

Vielleicht ist die Frage auch nur unbedacht und eine formelle Frage für einen Einstieg in ein Gespräch? Doch was darf, kann oder wird mich erwarten, wenn mir eine so wichtige Frage gleich zu Beginn eines Gespräches gestellt wird? Letztendlich geht es in einem guten Gespräch doch um den Austausch, geht es darum, bestenfalls persönlich zu werden und eine Nähe aufzubauen. Dem Gegenüber zuzuhören, Anteil zu nehmen und sich selber mitzuteilen. Ernsthaft gefragt zu werden. Ernsthaftes Interesse an meiner Person.  

Alles bestenfalls ausgewogen und schwingend, wie bei einem Tanz. Bestenfalls dürfen mein Gegenüber und ich Gefühle, Gedanken und Haltungen vermitteln, um sich wie im Spiegel, im Gegenüber zu reflektieren und zu justieren. Mithilfe eines passenden Gegenübers ist dies erst möglich. Erst bei einer Intensität im Gespräch, die mitnimmt und öffnet, die Vertrauensvolles vermittelt, findet eine erfüllende Sättigung eigener Bedüfnisse statt. 

Gehts um einen Smalltalk, eine Plauderei oder auch einen Plausch, der auf einen Tiefgang des Gespräches verzichtet, gestaltet es sich anders. Dann kann es, wie bei der Aufwärmphase eines Motors, funktionieren und dient dem sich näher Kommens und dem Abklopfen von Möglichkeiten zum Tiefgang. Doch dann gleich mit der persönlichsten aller Fragen zu starten, ist für mich schrecklich oberflächlich. Wie wäre es alternativ mit der Frage danach, wobei gerade gestört wird? Oder der Frage danach, was in den nächsten Tagen so ansteht, oder dem Lieblingsgetränk oder ob schon etwas Spannendes heute passiert ist oder, oder, oder.....

Für mich ist es nur in Ordnung, gefragt zu werden, wie es mir geht, wenn ich wirklich Zeit habe. Ich brauche einen Zugang, Vertrauen und eine tiefe Verbundenheit zu meinem Gegenüber, und meistens reden wir nicht zum ersten und nicht zum letzten Mal miteinander. Doch auch dann brauche ich oft etwas Zeit, anstatt gleich mit Vollgas in die Tiefe des Miteinanders einzutauchen.  Ich freue mich über intensive Begegnungen und ein gelingendes Miteinander. Denn Tiefgang in gelingenden Gesprächen ist eine große Bereicherung. Gespräche über Liebe, Finanzen, Beruf oder Sex sind meist sehr lohnenswert. Wenn das Gegenüber es ernst meint.

Ansonsten antworte ich auch öfter auf die Einstiegsfrage "Wie geht's" mit "gut" und ziehe gedanklich schon weiter. 

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